Blick auf den Kaßberg

In der aktuellen Ausgabe des Online-Aufarbeitungsforums „H-und-G.info“ geht es um „Gedenken am authentischen Ort“. Wir stellen den künftigen Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis vor.

Was hat uns der Kaßberg noch zu sagen? Das Online-Aufarbeitungsforum „H-und-G.info“ des Bürgerkomitees 15. Januar e.V. in Berlin beschäftigt sich in seiner aktuellen Ausgabe mit dem Schwerpunkt „Gedenken am authentischen Ort“. Die wissenschaftliche Leiterin unseres entstehenden Lern- und Gedenkorts Kaßberg-Gefängnis in Chemnitz, Dr. Steffi Lehmann, und ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter stellen das Gedenkstättenprojekt unseres Vereins mit Stimmen von Zeitzeugen, Vorstandsmitgliedern und Projektleitung vor und versuchen eine Positionsbestimmung. Wie umgehen mit dem Alleinstellungsmerkmal Freikaufhaft und doppelter Diktaturgeschichte? Wo steht der Kaßberg im Spannungsfeld zwischen Bewahren und Verlust?

Den Beitrag auf H-und-G.info lesen Sie, wenn Sie hier klicken.

Die Website des Lern- und Gedenkorts Kaßberg-Gefängnis e.V. in Chemnitz finden Sie hier. Und zur Facebook-Seite geht es hier entlang.

Das Foto oben zeigt einen Blick in den ehemaligen Hafttrakt B mit Wandbild, entstanden in der Zeit ab 1990.

Im Krähwinkel der Landeshistorie

Der Chemnitzer Historiker Frank-Lothar Kroll legt eine „Geschichte Sachsens“ vor. Dabei spart er nicht mit Seitenhieben auf Karlheinz Blaschke, den Übervater des Fachs.

Freie Presse Chemnitz, 23. Juli 2014

August der Starke – ein unumschränkter absolutistischer Herrscher? Das werde gelegentlich vorschnell behauptet, etwa von Blaschke. Seine Ambitionen auf Polens Thron? „Es war keineswegs nur dekorativ ummantelte ,Ehr- und Ruhmsucht‘ (Blaschke), die den sächsischen Kurfürsten damals nach der polnischen Krone greifen ließ.“ Und der Prunk an Augusts Hof? Wer darin nur das ziellose Irrlichtern einer „unwirklichen Scheinwelt“ (so Blaschke) zu erkennen vermöge, der messe an den falschen Kategorien.

„Geschichte Sachsens“ lautet schlicht der Titel von Frank-Lothar Krolls Überblicksdarstellung, der die Zitate entnommen sind. Sie ist bei C. H. Beck Wissen als letzter von 16 Bänden zur Geschichte der einzelnen Bundesländer erschienen. Und ob bei Augusts Repräsentationswesen oder der Frage nach der Sinnhaftigkeit der sächsisch-polnischen Union, ob zuvor bei der Charakterisierung Moritz’ von Sachsen oder später bei der sogenannten Bodenreform: Der Verfasser, Historiker für europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der TU Chemnitz, Vorsitzender der Preußischen Historischen Kommission und Autor wie Herausgeber einer Landesgeschichte Hessens wie eines Bandes über „Die Herrscher Sachsens“, legt keineswegs nur einen an Fakten orientierten Abriss vor. Kroll nutzt die Gelegenheit auch, um angebliche Fehlurteile anderer Autoren anzugreifen – vor allem Karlheinz Blaschkes, des Nestors der sächsischen Landesgeschichte, der in der DDR als nichtmarxistischer Historiker und Landeskundler ein Außenseiter war und nach dem Mauerfall zur Zentralgestalt eines wiederbelebten Faches avancierte.

Im Krähwinkel der Landeshistorie weiterlesen

Wer wohnte direkt an der Mauer?

Im Asisi-Panorama zur Berliner Mauer sind auf Ost-Berliner Seite Wohnhäuser abgebildet, die unmittelbar am Todesstreifen liegen. Wer wohnte in solchen Häusern?

Asisi-Panometer_ Blick in die Sebastianstraße (c) Asisi GmbH

Trotz Zwangsumsiedlungen und Hausabrissen in Mauernähe befand sich hinter dem Todesstreifen auf Ost-Berliner Seite ein Sperrgebiet, das weiterhin bewohnt war und in dem sich auch Büros und Gewerbe befanden. Die Annahme, dass dort besonders linientreue Bewohner lebten, ist aber falsch, sagt der Historiker Ronny Kern, Autor des Buches „Siebzehn Kilometer Grenze – Die Berliner Mauer in Treptow 1961–1989“, einer der wenigen Studien, die sich mit diesem Thema befassen. Das Buch beleuchtet die Materie für den Stadtbezirk Treptow.

Wer wohnte direkt an der Mauer? weiterlesen

„Leipzig verschwindet im Vergessen“

Die Stadt begeht den 200. Jahrestag der Völkerschlacht. Dass sich das Datum auch als Termin deutsch-französischer Aussöhnung eignet, daran hat die Historikerin Hélène Miard-Delacroix, Professorin an der Universität Paris-Sorbonne, allerdings ihre Zweifel.

Aus deutscher Sicht spielt die Völkerschlacht als Ereignis und als Geschichtssymbol eine Rolle. Hat sie für Frankreich eine ähnliche Bedeutung?

Hélène Miard-Delacroix: Für das heutige Frankreich spielt sie keine Rolle. Sie ist sogar völlig unbekannt. Nur die Historiker und unter ihnen nur die, die sich mit Deutschland befassen oder die ihren Schwerpunkt auf die Geschichte Napoleons gelegt haben, wissen, was die Völkerschlacht war.

Woran liegt das?

„Leipzig verschwindet im Vergessen“ weiterlesen

Ein Fluss, der verbindet

Die Flut hat sie wieder einmal in die Schlagzeilen gebracht. Doch auch ohne Hochwasser ist sie ein bemerkenswerter Fluss. Der Berliner Journalist Uwe Rada erzählt in seinem Buch „Die Elbe“ europäische Geschichte und Geschichten.

Die Elbe

Was für ein Bild man sich von der Elbe macht, ist vor allem eine Frage von Standort und Perspektive. Im Bewusstsein der Hamburger ist der Fluss die Verbindung zur Nordsee. Von Westdeutschland aus mag die Elbe zuweilen als Grenzfluss zu Ostelbien oder – wie dem Rheinländer und Bundeskanzler Konrad Adenauer – als Vorposten Asiens erscheinen. In Sachsen hingegen gilt sie als ein genuin eigenes, mithin nicht preußisches Kulturgut.

Allenfalls durch die Hochwasserbilder, die den eigenen gleichen, wird man daran erinnert, dass sich nicht nur die Sächsische Schweiz und Schloss Pillnitz, Dresden und Meißen und vielleicht noch das Riesengebirge an der Elbe befinden, sondern auch Städte wie Wittenberge, Hitzacker und sogar Lauenburg in Schleswig-Holstein.

Ein Fluss, der verbindet weiterlesen

Vielschreiber und Tausendsassa

Noch vor einem Jahr sollte das Kraszewski-Museum in Dresden geschlossen werden. Stattdessen hat es nun eine neue Dauerausstellung bekommen. Sie zeigt den polnischen Literaten als rastlosen und vielfach talentierten Künstler. 

6847817_6c52bdebb7_o

Als das Dresdner Kraszewski-Museum vor einem Jahr geschlossen werden sollte, schien es, als könne die Politik ganz gut auf das deutsch-polnische Gemeinschaftsprojekt verzichten. Erst hatte Polen sämtliche Ausstellungsstücke zurückbeordern müssen, die das frühere Wohnhaus des polnischen Schriftstellers Józef Ignacy Kraszewski seit 1960 bestückten. Grund war ein Gesetz, das historische Kulturgüter nicht mehr länger als fünf Jahre ins Ausland zu verleihen gestattet.

Und als die polnische Seite dann das Gespräch über die Weiterführung des Museums suchte, wollte die entsprechende Post aus der Botschaft in Berlin im Dresdner Kulturrathaus niemand erhalten haben. Stattdessen dachte man in der Stadtverwaltung über mögliche Käufer der idyllisch am Rande der Äußeren Neustadt gelegenen Immobilie mit Gartengrundstück nach.

Dass das Museum nun dennoch weiterbestehen wird, ist vor allem öffentlichem Druck und Polens Kulturminister Bogdan Zdrojewski zu verdanken. Offenbar beflügelt vom „Kraszewski-Jahr“, das das Nachbarland 2012 aus Anlass des 200. Geburtstags des Literaten feierte, gab der Politiker, früher Oberbürgermeister von Dresdens Partnerstadt Breslau, 50.000 Euro für Konzeption und Ausgestaltung einer neuen Ausstellung für Dresden durch das Warschauer Adam-Mickiewicz-Literaturmuseum frei.

Vielschreiber und Tausendsassa weiterlesen

Die Sportifizierung der Welt

Vom antiken Olympia bis ins 21. Jahrhundert: Zu allen Zeiten trieben Menschen Sport. Der Historiker Wolfgang Behringer hat eine ebenso faktenreiche wie unterhaltsame „Kulturgeschichte des Sports“ geschrieben.

Wie sehr sich im Florenz der Medici das öffentliche Leben um den Fußball drehte, darauf verwies vor einigen Jahren der Kunsthistoriker Horst Bredekamp mit seiner Studie „Florentiner Fußball – Die Renaissance der Spiele“. Nachdem die mächtige Patrizierfamilie Anfang des 16. Jahrhunderts die Republik endgültig beseitigt und eine Alleinherrschaft über die Stadt errichtet hatte, verschwand nicht etwa der Calcio, der bis dahin volkstümliche Fußball. Die Medici bauten ihn zum regelrechten Staatssport aus.

Bei Hochzeiten, Staatsbesuchen und offiziellen Anlässen jeder Art wurden Gala-Spiele – wenn auch nach anderen Regeln als heute – mit teuren Trikots, aufwendigen Fahnen und einem zeremoniellen Mannschaftseinmarsch abgehalten. Mitglieder des Herrscher-Clans stellten sich gern selbst als Spieler auf. Auch das Wappen der Familie bezog man in die Aneignung ein: Die sechs Kugeln, die es zeigte, wurden in Bilddarstellungen mit Fußbällen in Verbindung gebracht, die italienisch ebenfalls „Palle“ heißen.

Bei dem Historiker Wolfgang Behringer, Professor an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken und Spezialist für die frühe Neuzeit, ist der Florentiner Fußball nun Teil einer umfassenden „Kulturgeschichte des Sports“. Und auch wenn die Literatur vielfach erst das 19. Jahrhundert zum Beginn eines eigentlichen Sports deklariert und dann zuweilen allenfalls die Antike als eine Art Vorläufer gelten lässt, wird bei der Lektüre des 500-Seiten-Bandes sehr klar, dass der Calcio der Medici keineswegs eine Ausnahme in seiner Zeit darstellte.

Die Sportifizierung der Welt weiterlesen

Sein ärgster Feind

Propaganda und Kanonen: Mitten im brandenburgischen „Friedrichjahr“ wirft eine Ausstellung in Branitz ein neues Licht auf einen sächsischen Kontrahenten des Preußenkönigs – den Minister Brühl.

Graf Brühl, porträtiert von Marcello Bacciarelli (um 1745), © SKD_Pückler-Museum

Der eine ein asketischer Philosoph auf dem Thron – hart gegen andere, aber auch gegen sich selbst. Der andere ein gewissenloser Emporkömmling – prunksüchtig, eigennützig, eitel und intrigant. Die Bilder, die sich von Preußenkönig Friedrich II. (1712 bis 1786) und seinem sächsischen Widersacher Heinrich Graf von Brühl (1700 bis 1763) bis heute halten, könnten gegensätzlicher kaum sein.

„1.500 Perücken und keinen Kopf“, so sprach Friedrich über seinen Kontrahenten. „Ohne besondere Fähigkeiten und ohne staatsmännische Einsicht verstand er doch seinen Herrn völlig zu leiten“, hielt Meyers Konversationslexikon anderthalb Jahrhunderte später über den Grafen fest. Und der polnische Schriftsteller Józef Ignacy Kraszewski, der die Sachsen, verglichen mit den Preußen, noch als das kleinere Übel empfinden musste, fällte das kaum mildere Urteil, beide – Friedrich wie Brühl – hätten „Formen des Bösen“ verkörpert. „Brühl“, schrieb er, „war der glänzende Vertreter der Lüge, Friedrich der des Zynismus.“

Ausgerechnet in Brandenburg, wo man in diesem Jahr mit Ausstellungen und Buchveröffentlichungen den 300. Geburtstag Friedrichs begeht, und im nahen Polen wird nun in diesem Sommer in einem dreiteiligen Ausstellungsprojekt des sogenannten europäischen Parkverbunds Lausitz ein Versuch unternommen, an dem sich zuletzt auch einige Brühl-Biografen abgearbeitet haben: dem sächsischen Minister Gerechtigkeit widerfahren zu lassen – und auf Facetten im Verhalten Friedrichs hinzuweisen, die alles andere als aufgeklärt erscheinen.

Sein ärgster Feind weiterlesen

Idyll und Verbrechen

In Sachsen gab es einst ziemlich viele und vor allem viel zu berüchtigte Gefängnisse für so ein kleines Land. 

Frankreich gilt als Land der Revolution, Preußen als das des Militärs. Und wenn man Polen wegen seiner vielen Aufstände oft ein Land der Freiheitsliebe nennt, dann muss Sachsen, das sich selbst gerne als friedliebend und kunstbeflissen darstellt, wohl umgekehrt viel eher als eines der Unfreiheit gelten, verfügte es einst doch vom Plauener Hradschin im Vogtland bis zum alten Dresdner Landgericht, von Hoheneck in Stollberg/Erzgebirge bis zum früheren Torgauer Reichskriegsgericht für ein so kleines Land über ziemlich viele und vor allem viel zu berüchtigte Gefängnisse.

Ob die Gräfin Cosel auf Burg Stolpen, August Bebel auf Schloss Osterstein oder Karl May im Zuchthaus Waldheim: Fragt sich, welcher Prominente nicht in einem Sachsen-Knast gesessen hätte. Und die wenigen, die es nicht taten, scheinen wie Gottfried Semper oder Richard Wagner nach dem Dresdner Mai-Aufstand von 1849 nur gerade so entronnen. Ganz zu schweigen von der Zeit des Nationalsozialismus, vom „Gelben Elend“ in Bautzen, von der Mordfabrik in Pirna auf dem Sonnenstein oder den vielen Außenlagern des Konzentrationslagers Flossenbürg, die sich überall in Sachsen befanden, später von sowjetischen Speziallagern und Bautzen II, dem Stasi-Gefängnis.

Idyll und Verbrechen weiterlesen

„Wir brauchen eine Kultur des Zuhörens“

Der Dresdner Publizist Matthias Neutzner über das umstrittene Bomber Command Memorial in London und Wege zur Verständigung

Fast 70 Jahre nach Kriegsende ist am vergangenen Donnerstag in London in Anwesenheit von Queen Elizabeth II. ein Denkmal für die im Zweiten Weltkrieg getöteten Flieger des britischen Bomber Command eingeweiht worden, das Angriffe auf deutsche Städte ausführte. Von 125.000 Soldaten dieser Einheiten verloren mehr als 55.000 ihr Leben. Bei Luftangriffen kamen in Deutschland 500.000, in Großbritannien 60.000 Menschen zu Tode. Der Publizist Matthias Neutzner ist Vorsitzender des Dresdner Vereins „IG 13. Februar 1945“, der nach dem Tag der Bombardierung der Stadt benannt ist.

Herr Neutzner, ein Denkmal für die im Zweiten Weltkrieg getöteten Piloten und Besatzungsmitglieder des Bomber Command – was halten Sie davon?

Matthias Neutzner: Unsere Gruppe, die sich seit mehr als 25 Jahren für Friedensarbeit vor dem Hintergrund der Zerstörung Dresdens engagiert und in deren Reihen zahlreiche Überlebende der Luftangriffe auf Dresden arbeiten, hat Verständnis für diese Denkmalsetzung. Wir glauben, dass sie, wenn diese Gedenkstätte in der richtigen Weise mit Leben gefüllt wird, durchaus auch eine Chance für ein Vertiefen des gegenseitigen Verständnisses und damit ein Vertiefen des gemeinsamen Engagements für Frieden und gegen Krieg sein kann.

Kritiker werfen dem Denkmal vor, es berücksichtige die Opfer der Bombardierungen zu wenig. Seine Gestaltung – eine überlebensgroße Figurengruppe aus Bronze in einem Säulenpavillon – spiegele nicht die Ambivalenz wider, dass die Piloten einerseits zwar ihr Leben riskierten, um den Nationalsozialismus zu besiegen, andererseits aber selbst Leid gebracht haben …

„Wir brauchen eine Kultur des Zuhörens“ weiterlesen