„Sport ist auch ein Eisbrecher“

Der Leipziger Sportphilosoph Arno Müller über Sport, Politik und die Boykottdiskussion um die bevorstehende Fußball-EM in der Ukraine

Zeitungsausriss

Wie soll sich der Westen und wie soll sich der Fußball angesichts der Menschenrechtsverletzungen im EM-Austragungsland Ukraine verhalten? Hat es einen Sinn oder ist es ein grober Fehler, sportliche Großveranstaltungen in diktatorische Staaten zu vergeben? Darüber wird heftig diskutiert. Arno Müller ist Sportphilosoph und leitet den Bereich Sportphilosophie und Sportgeschichte an der Universität Leipzig.

Herr Professor Müller, nachdem zunächst über einen Boykott gestritten wurde, heißt es nun allerorten, die Debatte sei typisch deutsch und geradezu absurd. Was halten Sie von der Diskussion?

Arno Müller: Die Debatte, wie ich sie wahrnehme, wird in zwei Extremen geführt. Die einen sagen: Der Sport müsse da auch politisch Flagge zeigen. Es müsse auf jeden Fall einen Boykott von sportlicher Seite geben, als wäre die Fußball-Nationalmannschaft der verlängerte Arm des Außenministeriums. Das andere Extrem besagt: Nein, der Sport müsse sich völlig aus dem Politischen heraushalten. Sport habe mit Politik nichts zu tun. Ich glaube, die Wahrheit liegt in der Mitte.

Was heißt das konkret? Soll Bundeskanzlerin Merkel neben Präsident Janukowitsch auf der Tribüne Platz nehmen oder nicht? Soll die Nationalmannschaft spielen oder nicht?

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Von Fußball, Fans und Oligarchen

Acht Suhrkamp-Autorinnen und Autoren aus Polen und der Ukraine stimmen mit der Anthologie „Totalniy Futbol“ auf die bevorstehende Fußball-EM in ihren Ländern ein – und bewegen sich kenntnisreich auf schwierigem Terrain.

Das eine Land eine Demokratie, das andere regiert von einem autoritären Regime. Das eine Mitglied der EU, das andere schon ohne Beitrittshoffnungen, als es innenpolitisch noch auf dem Weg zu Besserem schien: Polen und die benachbarte Ukraine, die beiden Austragungsländer der bevorstehenden Fußball-Europameisterschaft, könnten politisch unterschiedlicher kaum sein. Tatsächlich stand die Ukraine, als der europäische Fußballverband Uefa die Austragung vergab, noch ganz unter dem Eindruck der Orangenen Revolution. Und Polen war es damals, das mit den konservativen Kaczynski-Brüdern an der Spitze ziemlich alt aussah.

Dennoch – und allen Boykottaufrufen für den ukrainischen Teil zum Trotz – wird die „Euro 2012“ in wenigen Wochen wahrscheinlich angepfiffen. Und auch der Suhrkamp-Verlag, zu dessen Autoren auch der Leipziger Buchpreisträger von 2006, Juri Andruchowytsch, zählt, der aufgrund der Menschenrechtsverletzungen bereits im vergangenen Jahr zum Boykott aufgerufen hatte, begibt sich mit einer Anthologie auf dieses schwierige Terrain.

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„Die Migranten sind die Zukunft Europas“

Der Schriftsteller Juri Andruchowytsch spricht im Kreuzer-Interview über die Orangene Revolution, die Ablehnung von Beitrittsverhandlungen durch die EU und sein Stück „Orpheus, illegal“, das die Massenauswanderung aus der Ukraine spiegelt.

„Auf Vorschlag eines Schauspielers war in der Düsseldorfer Inszenierung ein Witz eingebaut. Er fragt Perfetzki: Was macht ein Italiener im Puff? Perfetzki schweigt – und er sagt: Amore! Was macht ein Deutscher im Puff? Perfetzki schweigt – und er sagt: Liebe! Und was macht ein Ukrainer im Puff? Perfetzki schweigt – und er sagt: Er sucht seine Frau. Wenn solche Witze existieren, kann man sie nicht verbieten. Wenn wir darüber lachen, haben wir vielleicht eine Chance, sie zu überwinden.“