Noch e Grönsche könndste griechn

Die Hellenen sind den Sachsen näher, als mancher glaubt.

Ob Steuerhinterziehung, gefälschte Wirtschaftsdaten oder die immer neuen Milliarden für immer neue Rettungsschirme: Wann immer Griechenland derzeit zum Thema wird, ist der Ärger auch in Sachsen groß. Dabei sind die Hellenen dem Freistaat näher, als mancher glaubt. Und das nicht nur, weil es die Sachsen waren, die im Jahr 2007 noch vor Beginn der großen Krisen eine formidable Fast-Pleite hinlegten. Bekanntlich mussten damals die Baden-Württemberger die Sachsen LB retten – so wie heute EU, EZB und IWF die Griechen.

Nein, gemeint ist ein weiterer, fast vergessener Berührungspunkt in der Geschichte beider Länder, an den man sich heute allenfalls noch auf Schloss Weesenstein erinnert. Die Anlage im malerischen Müglitztal bei Pirna verfügt nicht nur über Kuriosa wie Pferdeställe im fünften Stockwerk und mit ihrem Stilmix vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert über zahlreiche Zeugnisse der Regionalgeschichte. Als Lieblingsschloss Johanns von Sachsen (dessen Reiterstandbild heute vor der Dresdner Semperoper steht) weist es auch zahlreiche europäische Bezüge auf. Der Wettiner-Prinz fertigte hier große Teile seiner bis heute gültigen Übersetzung von Dantes „Göttlicher Komödie“ an. Und im Wohntrakt hat sich zum Beispiel eine Panoramatapete mit dem Titel „Die Kämpfe der Griechen“, Zeugnis des im 19. Jahrhundert weit verbreiteten Philhellenismus, erhalten.

In den 1820er-Jahren hatten sich die revolutionären Griechen die Unabhängigkeit vom Osmanenreich erfochten. 1829 trugen die Hellenen – beziehungsweise im Ränkespiel der Diplomaten der französische König (und Sohn einer sächsischen Prinzessin) Karl X. seinem sächsischen Verwandten – Johann die Griechen-Krone an. Dieser lehnte ab. Wohl, wie bei dem Historiker Albert von Sachsen nachzulesen ist, aus Scheu vor der Herausforderung und um seinen erstgeborenen Bruder, den Kronprinzen und späteren Sachsen-König Friedrich August II., in der Heimat nicht allein zu lassen. Und tatsächlich sollte Johann seinem kinderlos gebliebenen Bruder 1854 auf den Thron von Sachsen folgen.

Griechen-König war 1832 an seiner Stelle der Wittelsbacher Otto von Bayern geworden, der immerhin dreißig Jahre in Athen regierte. Wer weiß, wäre Johann ihm zuvorgekommen, trüge die Flagge Griechenlands heute vielleicht Weiß und Grün statt wie Bayern Weiß und Blau und das im Fernsehen oft gezeigte Parlamentsgebäude am Syntagma-Platz hätte womöglich Gottfried Semper und nicht der Bayer Friedrich von Gärtner gebaut. Robert Schröpfer

2012 erschienen in der Freien Presse Chemnitz, der Sächsischen Zeitung Dresden und der Lausitzer Rundschau Hoyerswerda.

Zum Schloss Weesenstein mit seiner bemerkenswerten Tapete geht es hier entlang.