Vielschreiber und Tausendsassa

Noch vor einem Jahr sollte das Kraszewski-Museum in Dresden geschlossen werden. Stattdessen hat es nun eine neue Dauerausstellung bekommen. Sie zeigt den polnischen Literaten als rastlosen und vielfach talentierten Künstler. 

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Als das Dresdner Kraszewski-Museum vor einem Jahr geschlossen werden sollte, schien es, als könne die Politik ganz gut auf das deutsch-polnische Gemeinschaftsprojekt verzichten. Erst hatte Polen sämtliche Ausstellungsstücke zurückbeordern müssen, die das frühere Wohnhaus des polnischen Schriftstellers Józef Ignacy Kraszewski seit 1960 bestückten. Grund war ein Gesetz, das historische Kulturgüter nicht mehr länger als fünf Jahre ins Ausland zu verleihen gestattet.

Und als die polnische Seite dann das Gespräch über die Weiterführung des Museums suchte, wollte die entsprechende Post aus der Botschaft in Berlin im Dresdner Kulturrathaus niemand erhalten haben. Stattdessen dachte man in der Stadtverwaltung über mögliche Käufer der idyllisch am Rande der Äußeren Neustadt gelegenen Immobilie mit Gartengrundstück nach.

Dass das Museum nun dennoch weiterbestehen wird, ist vor allem öffentlichem Druck und Polens Kulturminister Bogdan Zdrojewski zu verdanken. Offenbar beflügelt vom „Kraszewski-Jahr“, das das Nachbarland 2012 aus Anlass des 200. Geburtstags des Literaten feierte, gab der Politiker, früher Oberbürgermeister von Dresdens Partnerstadt Breslau, 50.000 Euro für Konzeption und Ausgestaltung einer neuen Ausstellung für Dresden durch das Warschauer Adam-Mickiewicz-Literaturmuseum frei.

Im Gegenzug sagten das Land Sachsen und die Dresdner Stadtverwaltung jeweils 37.500 Euro für die Renovierung und eine verbesserte technische Ausstattung der Räume zu. Außerdem bezahlt die Stadt 30.000 Euro für die von nun an geplanten drei Sonderausstellungen pro Jahr.

Die neue Dauerausstellung – das fällt als erstes auf – versucht sich nun zeitgemäßer als ihre Vorgängerschau zu präsentieren. Bildete die alte Exposition mit zahlreichen Einrichtungsgegenständen noch einen bürgerlichen Haushalt der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach, wie ihn Kraszewski selbst in dem Haus einmal bewohnt haben könnte, empfangen einen heute drei in Polens Nationalfarben Weiß und Rot gehaltene Ausstellungsräume.

Sie führen mit Ölbildern, Fotografien und im Zentrum einem Schreibtisch jener Zeit, aber auch mit Texttafeln und Bildschirmanimationen chronologisch von Kraszewskis Jugendjahren auf dem großelterlichen Landgut in Romanów, seiner Studienzeit in Wilna und einer frühen Haft des Verfechters polnischer Eigenstaatlichkeit über glücklose Versuche als Besitzer wechselnder Ländereien bis hin zum Höhepunkt seines schriftstellerischen Ruhms und kurz darauf dem kläglichen Ende mit Festungshaft, Krankheit und Tod.

Im Zuge des antirussischen Januaraufstands von 1863 hatte der damals 50-Jährige von Warschau nach Dresden flüchten müssen, um der Verbannung nach Russland zu entgehen. Die Nähe Sachsens zu Polen und die – wie sich herausstellen sollte – unberechtigte Hoffnung auf eine baldige Rückkehr dürften wie bei vielen seiner Landsleute den Ausschlag für die Ortswahl gegeben haben. Kraszewski betrieb in Dresden zeitweilig eine Druckerei, gab unter anderem eine polnischsprachige Zeitschrift namens „Die Woche“ heraus und unterstützte andere Emigranten. Vor allem aber produzierte der notorische Vielschreiber auch in seinen zwanzig Dresdner Jahren Romane, Novellen und Reiseberichte.

Insgesamt füllt Kraszewskis Oeuvre rund 400 Bände, die ihn in Polen, wenn nicht zum Klassiker, so doch zu einem der Großen der nationalen Literaturgeschichte machten. In Deutschland ist er vor allem als Verfasser der später unter dem Titel „Sachsens Glanz und Preußens Gloria“ verfilmten Sachsentrilogie über die Gräfin Cosel, den Grafen Brühl und den Siebenjährigen Krieg populär, obgleich er der darin schillernd ausgemalten Glanzzeit des Dresdner Barocks skeptisch gegenüberstand. Die Regentschaft der sächsischen Polenkönige galt im Nachbarland lange als eine Zeit der Verschwendung und des Niedergangs, die schließlich in den Teilungen Polens mündete.

Die Dresdner Ausstellung entwirft ein Bild des Schriftstellers als Rastlosem und vielseitig Interessiertem. Chopin-Einspielungen vom Band verweisen auf den Musikkritiker. Großformatige Darstellungen zeigen Kraszewskis Dresdner Arbeitszimmer mit einer Staffelei – die Wände von Bildern behangen. Kopien und originale Landschaftsdarstellungen in Öl vom Schriftsteller selbst sowie ein von ihm bemalter Teller aus Meißner Porzellan zeugen von bildnerischen Ambitionen.

Auch Kraszewskis häufige Ortswechsel und Reisen sind ein leitendes Motiv der Ausstellung. Allein in Dresden zog der Schriftsteller zwölfmal um. „Das lebendige Leben und Gegenstände der Kunst vereinnahmten uns am meisten“, wird Kraszewski zitiert. Die Zeit in Deutschland, heißt es an anderer Stelle, habe auf ihn wie auf einen Findling gewirkt, den das Meer einst auf fremder Erde zurückgelassen habe. „Daran gewöhnen konnte man sich, aber einleben in dieses Element einer völlig anderen Gesellschaft – unmöglich.“

Manchmal wünschte man sich von der Ausstellung mehr Einordnung, auch Deutung statt kleinteiliger Fakten, etwa wenn akribisch Verhaftungs- und Prozessdaten der Spionageaffäre aufgelistet werden, die Kraszewski 1883 als angeblichen Zuträger des französischen Geheimdienstes nach Leipzig vor Gericht und schließlich bis 1885 in Magdeburger Festungshaft brachten, aber kaum Näheres über die Gründe und den Wahrheitsgehalt der Anschuldigungen zu erfahren ist. Manchmal wüsste man umgekehrt gern mehr Details, zum Beispiel über Kraszewskis Verhältnis zu seiner Ehefrau Zofia.

Sie sei, heißt es lapidar in einer Bildunterschrift, bei der Flucht in Polen zurückgeblieben und danach nicht mehr mit ihm zusammengetroffen. Im Ganzen aber gelingt dieser Streifzug durch ein Künstlerleben in seiner Zeit, das selbst romanhafte Züge trug. Was Kraszewskis Literatur ausmacht, das zu erfahren, wird man sie auch weiterhin lesen müssen. Robert Schröpfer

Kraszewski-Museum Dresden, Nordstraße 27, geöffnet mittwochs bis sonntags, jeweils 13 bis 18 Uhr. Und zur Website des Museums geht es hier entlang.

Gedruckt erschienen in der Freien Presse Chemnitz am 24. Januar 2013.

Das Bild oben zeigt einen Blick in die Ausstellungsräume. Foto: Adam Orlewicz/Museen der Stadt Dresden.