Beredtes Schweigen

Warum die Gedenkminute für die Opfer des Neonaziterrors ein starkes Zeichen sein kann

Als der Journalist und Weltkriegsveteran Edward George Honey im Mai 1919 in einem Brief an die Londoner Zeitung „Evening News“ verlangte, man solle am Jahrestag des Waffenstillstands am 11. November innehalten und mit fünf Minuten Stille der Toten des Weltkriegs gedenken, gab es Rituale des stillen Trauerns bereits. Schon die antiken Römer sollen zum Totengedenken beispielsweise Opferhandlungen für die stumme Göttin Tacita verrichtet haben, um feindliche Zungen und Münder zu bannen. Und das Christentum hatte über die Jahrhunderte neben Gebet und Gesang Praktiken demutsvollen Schweigens entwickelt. Insbesondere die Quäker kannten Rituale der stillen Einkehr.

Was Honey jedoch in die Debatte brachte und kurz darauf unter George V. mit der Einführung des Remembrance Day (Erinnerungstag) Bestandteil eines offiziellen Gedenktags für die Toten des Ersten Weltkriegs wurde, war die moderne Schweigeminute. Beredtes Schweigen weiterlesen

Wenn Weltgebäude wanken

Angesichts der Ereignisse in Japan ist Kulturjournalismus gerade ziemlich unwichtig. Wichtig ist nur die Hilfe dort, und ob es gelingt, in Fukushima das Allerschlimmste doch noch abzuwenden.

Dennoch ein Versuch, sich zu dem Geschehen unter Rückgriff auf eine andere epochale Katastrophe zu verhalten. Wie das Erdbeben von Lissabon 1755 das Gottvertrauen Europas erschütterte, untergräbt Fukushima jetzt den Glauben an die Berherrschbarkeit der Technik in der modernen Welt.

Dresden, 13. Februar

IG 13 Februar

Der Jahrestag der Zerstörung Dresdens durch alliierte Bomberverbände im Zweiten Weltkrieg ist ein umstrittenes Geschichtssymbol. Auch in diesem Jahr mobilisiert die extreme Rechte bundesweit für ihren „Trauermarsch“, und einmal mehr ist die demokratische Stadtöffentlichkeit uneins über mögliche Gegenstrategien.

Hier finden Sie ein Interview mit dem Dresdner Publizisten Matthias Neutzner für die Freie Presse Chemnitz aus dem vergangenen Jahr, dessen Interessengemeinschaft 13. Februar das Foto oben zur Verfügung stellte, hier einen Essay für die taz zum selben Thema aus dem Vorjahr.

Und hier mehr über ein Projekt, das an die Verfolgung der Dresdner Juden im Nationalsozialismus erinnert und auch den 13. Februar aus einer anderen Perspektive beleuchtet.

 

 

Die Wunde Dresden

Am 13. und 14. Februar jährt sich die Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg durch alliierte Bomberverbände zum 64. Mal. Dresden ist nicht mehr nur eine Chiffre des Bombenkriegs und des Leids auch der deutschen Zivilbevölkerung. Unter dem Eindruck rechter Aufmärsche scheint die Stadt inzwischen auch ein Synonym für die mangelnde Fähigkeit geworden zu sein, dem Geschichtsrevisionismus der Neonazis und Nationalkonservativen etwas entgegenzusetzen, wenn nicht gar für deren Versuche selbst, deutsche Opferzahlen gegen die nationalsozialistischen Verbrechen aufzurechnen. Ein Essay über einen mehrdeutigen Erinnerungsort, erschienen in der taz.

Und zum Hören hier ein Deutschlandradio-Pressegespräch vom 12. Februar 2009, in dem zur Mitte auch auf den taz-Beitrag Bezug genommen wird.

Die Missgünstigen

Das ganze Land feiert Uwe Tellkamps Wenderoman „Der Turm“. Das ganze Land? Eine Stadt (und ihre Zeitung) will nicht recht einstimmen in die Bewunderung für diesen großen Wurf – selbst wenn oder gerade weil sie Schauplatz der Handlung ist. Ein Erklärungsversuch, gedruckt im Berliner Tagesspiegel (und in Potsdam in den PNN).

Die Sächsische Zeitung antwortete am Tag darauf mit dem Bericht einer Dresdner Tellkamp-Lesung: „[…] wer den Andrang im Strehlener Gemeindesaal sieht und die Schlange derjenigen, die stolz und begeistert um Widmung anstehen, fragt sich, wie eine Zeitung aus Berlin auf die Idee kam, zu behaupten, Dresden tue sich schwer mit Uwe Tellkamp.“ Der grandiose Satz zur Verleihung des Deutschen Buchpreises 2009 („Gegen die anderen Bücher der Shortlist spricht das nicht“) findet sich hier.

So wie die Chinesen

Billigprodukte, Raubkopien, Menschenrechtsverletzungen, Demokratiedefizite: Wenn es Parallelen zwischen China und dem historischen Deutschland gibt, dann nicht – wie im Olympiajahr so oft bemüht – zu „Berlin 1936“ und dem Nationalsozialismus, sondern zum zweiten Kaiserreich. So lautet die These dieses Essays, gedruckt im Feuilleton der Frankfurter Rundschau.

Der Perlentaucher fasst zusammen: „Die entwickeln sich noch wie die Deutschen!“

Und zum Nachhören hier die Zusammenfassung im letzten Drittel der hr2-Presseschau.