„Wir brauchen eine Kultur des Zuhörens“

Der Dresdner Publizist Matthias Neutzner über das umstrittene Bomber Command Memorial in London und Wege zur Verständigung

Fast 70 Jahre nach Kriegsende ist am vergangenen Donnerstag in London in Anwesenheit von Queen Elizabeth II. ein Denkmal für die im Zweiten Weltkrieg getöteten Flieger des britischen Bomber Command eingeweiht worden, das Angriffe auf deutsche Städte ausführte. Von 125.000 Soldaten dieser Einheiten verloren mehr als 55.000 ihr Leben. Bei Luftangriffen kamen in Deutschland 500.000, in Großbritannien 60.000 Menschen zu Tode. Der Publizist Matthias Neutzner ist Vorsitzender des Dresdner Vereins „IG 13. Februar 1945“, der nach dem Tag der Bombardierung der Stadt benannt ist.

Herr Neutzner, ein Denkmal für die im Zweiten Weltkrieg getöteten Piloten und Besatzungsmitglieder des Bomber Command – was halten Sie davon?

Matthias Neutzner: Unsere Gruppe, die sich seit mehr als 25 Jahren für Friedensarbeit vor dem Hintergrund der Zerstörung Dresdens engagiert und in deren Reihen zahlreiche Überlebende der Luftangriffe auf Dresden arbeiten, hat Verständnis für diese Denkmalsetzung. Wir glauben, dass sie, wenn diese Gedenkstätte in der richtigen Weise mit Leben gefüllt wird, durchaus auch eine Chance für ein Vertiefen des gegenseitigen Verständnisses und damit ein Vertiefen des gemeinsamen Engagements für Frieden und gegen Krieg sein kann.

Kritiker werfen dem Denkmal vor, es berücksichtige die Opfer der Bombardierungen zu wenig. Seine Gestaltung – eine überlebensgroße Figurengruppe aus Bronze in einem Säulenpavillon – spiegele nicht die Ambivalenz wider, dass die Piloten einerseits zwar ihr Leben riskierten, um den Nationalsozialismus zu besiegen, andererseits aber selbst Leid gebracht haben …

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„Legenden von der unschuldigen Stadt“

Der Historiker Roman Töppel über den 13. Februar 1945, rechte Aufmärsche und das schwierige Gedenken an die Zerstörung Dresdens

Jahrestage von Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg sind in vielen Städten ein Datum des Erinnerns, aber ebenso ein Aufmarschtermin der Rechten. Vor allem am 13. Februar in Dresden entzünden sich regelmäßig heftige Debatten. Der Münchner Historiker Roman Töppel hat an der TU Dresden promoviert und ist Verfasser des Dresden-Beitrags in dem Band „Sächsische Mythen“ (Edition Leipzig 2011).

In den vergangenen Jahren hat es immer wieder rechte Aufmärsche im Umfeld des 13. Februar gegeben. Was macht solche Gedenktage, was macht Dresden für Neonazis so attraktiv?

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„Bilder beeinflussen unsere Demokratie“

In Chemnitz findet gegenwärtig eine Fachtagung der Gesellschaft für interdisziplinäre Bildwissenschaft statt. Der Chemnitzer Philosophieprofessor Klaus Sachs-Hombach spricht im Interview (für die Freie Presse Chemnitz) über die Macht der Bilder, symbolische Politik und das Verhältnis von Emotion und Argument.

„Unser Nachkriegsmodell der Demokratie ist von Jürgen Habermas geprägt. Es sieht vor, dass es einen rationalen Diskurs gibt und eine Öffentlichkeit, in der Entscheidungen nach Abwägung von Interessen getroffen werden. Heute scheint es aber vielmehr so zu sein, dass – was Niklas Luhmann beschreibt – sehr viel stärker Bilder in das öffentliche Bewusstsein treten und diesen rationalen Diskurs ablösen.“

„Was sollen sie denn anderes tun?“

Die Leipziger Japanologin Steffi Richter spricht im Interview (für die Freie Presse Chemnitz) über die japanische Katastrophe, westliche Vorurteile und die Notwendigkeit zu helfen.

„Wenn eine hoch entwickelte westliche Gesellschaft von solchen Katastrophen betroffen ist, ist man geneigt zu glauben, es brauche solche Hilfe nicht. Aber das stimmt nicht. Die Solidarität ist dringend nötig.“

Eine Möglichkeit zu spenden gibt es zum Beispiel hier und hier.

„Ich wusste jeden Morgen, wogegen ich war“

Der Kulturkanal Arte zeigt heute, 22.15 Uhr einen Mitschnitt der Dresdner Theateradaption von Uwe Tellkamps Roman „Der Turm“.

Lesen Sie hier mein Interview mit dem Regisseur Wolfgang Engel (geführt vor der Premiere im September 2010 für die Freie Presse Chemnitz) über die Endzeit der DDR, das Dresden der 1980er-Jahre und seine Theaterarbeit damals. Ein etwas älteres Porträt Wolfgang Engels, erschienen im November 2006 im Kreuzer – Das Leipziger Stadtmagazin, finden Sie hier.

Dresden, 13. Februar

IG 13 Februar

Der Jahrestag der Zerstörung Dresdens durch alliierte Bomberverbände im Zweiten Weltkrieg ist ein umstrittenes Geschichtssymbol. Auch in diesem Jahr mobilisiert die extreme Rechte bundesweit für ihren „Trauermarsch“, und einmal mehr ist die demokratische Stadtöffentlichkeit uneins über mögliche Gegenstrategien.

Hier finden Sie ein Interview mit dem Dresdner Publizisten Matthias Neutzner für die Freie Presse Chemnitz aus dem vergangenen Jahr, dessen Interessengemeinschaft 13. Februar das Foto oben zur Verfügung stellte, hier einen Essay für die taz zum selben Thema aus dem Vorjahr.

Und hier mehr über ein Projekt, das an die Verfolgung der Dresdner Juden im Nationalsozialismus erinnert und auch den 13. Februar aus einer anderen Perspektive beleuchtet.

 

 

„Ich wusste jeden Morgen, wogegen ich war“

Der Theaterregisseur Wolfgang Engel inszeniert am Dresdner Staatsschauspiel eine Bühnenfassung von Uwe Tellkamps Roman „Der Turm“. Im Interview (für die Freie Presse Chemnitz) spricht er über die Endzeit der DDR, das Dresden der 1980er-Jahre und seine Theaterarbeit damals: „Trotzdem war es auch immer eine Gratwanderung: Auszuloten, was geht, aber es nicht zu überreizen, damit eine Inszenierung nicht verboten wird. Das heißt, es stand immer die Frage: Verhältst du dich noch taktisch, oder bist du schon ein Opportunist?

Ein etwas älteres Porträt Wolfgang Engels, erschienen im November 2006 im Kreuzer – Das Leipziger Stadtmagazin, finden Sie hier.

„Es wird über die Bande der Öffentlichkeit gespielt“

Der Dresdner Kommunikationswissenschaftler Wolfgang Donsbach spricht im Interview (für die Freie Presse Chemnitz) über die Berichterstattung im Fall Kachelmann und den Einfluss der Medien auf ein mögliches Urteil.

„Beide sind einander auf verschiedenen Feldern überlegen. Das führt auch dazu, dass wir in verschiedenen Medien unterschiedliche Einschätzungen haben.“

Viel Ideologie und wenig Platz für Trauer

Der Publizist Matthias Neutzner spricht im Interview (für die Freie Presse Chemnitz) über das Geschichtssymbol Dresden, rechte Aufmärsche und das schwierige Gedenken an die Zerstörung der Stadt.

„Ob die Vertreibung oder die Kriegsgefangenschaft – alle anderen Opfererzählungen der Deutschen sind kaum an einen bestimmten Ort gebunden. Beim Bombenkrieg ist das anders. Hier konzentriert sich alles auf den einen symbolischen Ort – Dresden. Deshalb versucht die Rechte, Dresden als Symbolort deutschen Leids insgesamt zu instrumentalisieren.“

„Die Freude und die Bestürzung gehören zusammen“

Der Politikwissenschaftler und Leipziger-Buchpreis-Träger Herfried Münkler („Die Deutschen und ihre Mythen“) spricht im Interview (in der Märkischen Oderzeitung Ostbrandenburg, im Freien Wort Südthüringen und ab heute auch in Kunststoff, Kulturmagazin für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) über 20 Jahre DDR-Umsturz und Mauerfall, das geplante Einheits- und Freiheitsdenkmal in Berlin und darüber, warum der 9. November – Nacht der Grenzöffnung 1989, aber auch des Novemberpogroms 1938 – den besseren Gedenktag abgegeben hätte.

„Die Qualität eines politischen Mythos ist gerade die Fähigkeit des Fort- und Umerzählens und auch der Umgang mit Mehrfachkodierungen. […] Einerseits erfüllt uns dieser Tag mit einer gewissen Zufriedenheit über den Verlauf unserer Geschichte. Andererseits erfüllt er uns immer auch mit einer Bestürzung über das, was der 9. November auch noch war.