Unser Lernort im ehemaligen Hafttrakt B ist eröffnet

Mehr als 3300 Besucherinnen und Besucher kamen am ersten Wochenende auf den Kaßberg

Das ist ein wichtiges Ereignis für unser Gedenkstättenprojekt: Der neue Lernort im früheren Hafttrakt B des ehemaligen Kaßberg-Gefängnisses in Chemnitz ist eröffnet. Hier und hier finden Sie unsere Berichte und Fotos vom Eröffnungswochenende und hier eine Presse- und Medienschau. Auch die Frankfurter Allgemeine („Ein deutsch-deutscher Ort“) und die 20-Uhr-Ausgabe der Tagesschau berichteten ausführlich.

Das Bild oben zeigt Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, Sandra Pollom, Enkelin einer Haftinsassin aus der NS-Zeit, unseren Vereinsvorsitzenden Jürgen Renz, die SED-Opfer-Beauftragte beim Deutschen Bundestag, Evelyn Zupke, unseren Vermieter Jens Kroll, Staatsministerin Barbara Klepsch, Bürgermeister Ralph Burghart und Zeitzeugin Elke Schlegel (v.l.) bei der feierlichen Eröffnung sowie Medienvertreterinnen und Festgäste. Unten zu sehen ist ein Blick in den früheren Hafttrakt B. In den einstigen Zellen werden Lebensläufe und Haftschicksale ehemaliger politischen Gefangenen des Kaßberg-Gefängnisses in der Zeit des Nationalsozialismus, in der SBZ- und DDR-Zeit sowie des Häftlingsfreikaufs erzählt.

Die Website des Lern- und Gedenkorts Kaßberg-Gefängnis, deren Bereich Aktuelles ich betreue, finden Sie hier.

Blick auf den Kaßberg

In der aktuellen Ausgabe des Online-Aufarbeitungsforums „H-und-G.info“ geht es um „Gedenken am authentischen Ort“. Wir stellen den künftigen Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis vor.

Was hat uns der Kaßberg noch zu sagen? Das Online-Aufarbeitungsforum „H-und-G.info“ des Bürgerkomitees 15. Januar e.V. in Berlin beschäftigt sich in seiner aktuellen Ausgabe mit dem Schwerpunkt „Gedenken am authentischen Ort“. Die wissenschaftliche Leiterin unseres entstehenden Lern- und Gedenkorts Kaßberg-Gefängnis in Chemnitz, Dr. Steffi Lehmann, und ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter stellen das Gedenkstättenprojekt unseres Vereins mit Stimmen von Zeitzeugen, Vorstandsmitgliedern und Projektleitung vor und versuchen eine Positionsbestimmung. Wie umgehen mit dem Alleinstellungsmerkmal Freikaufhaft und doppelter Diktaturgeschichte? Wo steht der Kaßberg im Spannungsfeld zwischen Bewahren und Verlust?

Den Beitrag auf H-und-G.info lesen Sie, wenn Sie hier klicken.

Die Website des Lern- und Gedenkorts Kaßberg-Gefängnis e.V. in Chemnitz finden Sie hier. Und zur Facebook-Seite geht es hier entlang.

Das Foto oben zeigt einen Blick in den ehemaligen Hafttrakt B mit Wandbild, entstanden in der Zeit ab 1990.

Mitarbeit im Verein

Elternzeitvertretung beim Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis in Chemnitz

Ich habe eine Elternzeitvertretung beim Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis e.V. in Chemnitz übernommen. Das Kaßberg-Gefängnis ist als einstiger Abwicklungsort des Häftlingsfreikaufs ein wichtiger Erinnerungsort der DDR-Geschichte und der deutschen Teilung. Für die meisten der mehr als 33.000 politischen Häftlinge, die von der Bundesrepublik zwischen 1962/1963 und 1989 freigekauft wurden, gingen von hier aus die Busse in die Freiheit. Außerdem diente der Gebäudekomplex als Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit und zuvor des NKWD. In der Zeit des Nationalsozialismus waren im Kaßberg-Gefängnis Angehörige unterschiedlicher Opfergruppen eingesperrt.

Der Verein setzt sich seit seiner Gründung 2011 für den Erhalt des früheren Gefängnisses und die Errichtung eines Lern- und Gedenkorts ein, der an die verschiedenen Zeitabschnitte erinnert. Gegenwärtig wird im ehemaligen Hafttrakt B mit Fördermitteln von Bund, Freistaat Sachsen und Stadt Chemnitz gebaut. Eine Dauerausstellung soll entstehen, deren Mittelpunkt die Lebensgeschichten früherer politischer Gefangener darstellen. Auch Bildungsangebote in Form von Workshops, Zeitzeugengesprächen und Führungen spielen eine wichtige Rolle.

Ich finde, das ist ein tolles und unterstützenswertes Projekt, und ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit den Mitgliedern und Vorständen, Kolleginnen und Kollegen, Zeitzeuginnen und Zeitzeugen sowie allen Partnerinnen und Partnern des Vereins.

Das Foto oben zeigt den bereits 2017 eröffneten Gedenkort an der Außenmauer in der Kaßbergstraße, das Bild unten Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Gedenkveranstaltung an dessen Innenseite. Und zur Website des Vereins geht es hier entlang.

UPDATE: Eine Presseschau zum Ersten Spatenstich für den Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis im November 2021 finden Sie hier und Beiträge über die Geschichten der Zeitzeugen André Fischer und Dr. Ulrich Müller, von mir protokolliert für die Website des Vereins, wenn Sie hier beziehungsweise hier klicken.

Sein ärgster Feind

Propaganda und Kanonen: Mitten im brandenburgischen „Friedrichjahr“ wirft eine Ausstellung in Branitz ein neues Licht auf einen sächsischen Kontrahenten des Preußenkönigs – den Minister Brühl.

Graf Brühl, porträtiert von Marcello Bacciarelli (um 1745), © SKD_Pückler-Museum

Der eine ein asketischer Philosoph auf dem Thron – hart gegen andere, aber auch gegen sich selbst. Der andere ein gewissenloser Emporkömmling – prunksüchtig, eigennützig, eitel und intrigant. Die Bilder, die sich von Preußenkönig Friedrich II. (1712 bis 1786) und seinem sächsischen Widersacher Heinrich Graf von Brühl (1700 bis 1763) bis heute halten, könnten gegensätzlicher kaum sein.

„1.500 Perücken und keinen Kopf“, so sprach Friedrich über seinen Kontrahenten. „Ohne besondere Fähigkeiten und ohne staatsmännische Einsicht verstand er doch seinen Herrn völlig zu leiten“, hielt Meyers Konversationslexikon anderthalb Jahrhunderte später über den Grafen fest. Und der polnische Schriftsteller Józef Ignacy Kraszewski, der die Sachsen, verglichen mit den Preußen, noch als das kleinere Übel empfinden musste, fällte das kaum mildere Urteil, beide – Friedrich wie Brühl – hätten „Formen des Bösen“ verkörpert. „Brühl“, schrieb er, „war der glänzende Vertreter der Lüge, Friedrich der des Zynismus.“

Ausgerechnet in Brandenburg, wo man in diesem Jahr mit Ausstellungen und Buchveröffentlichungen den 300. Geburtstag Friedrichs begeht, und im nahen Polen wird nun in diesem Sommer in einem dreiteiligen Ausstellungsprojekt des sogenannten europäischen Parkverbunds Lausitz ein Versuch unternommen, an dem sich zuletzt auch einige Brühl-Biografen abgearbeitet haben: dem sächsischen Minister Gerechtigkeit widerfahren zu lassen – und auf Facetten im Verhalten Friedrichs hinzuweisen, die alles andere als aufgeklärt erscheinen.

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Idyll und Verbrechen

In Sachsen gab es einst ziemlich viele und vor allem viel zu berüchtigte Gefängnisse für so ein kleines Land. 

Frankreich gilt als Land der Revolution, Preußen als das des Militärs. Und wenn man Polen wegen seiner vielen Aufstände oft ein Land der Freiheitsliebe nennt, dann muss Sachsen, das sich selbst gerne als friedliebend und kunstbeflissen darstellt, wohl umgekehrt viel eher als eines der Unfreiheit gelten, verfügte es einst doch vom Plauener Hradschin im Vogtland bis zum alten Dresdner Landgericht, von Hoheneck in Stollberg/Erzgebirge bis zum früheren Torgauer Reichskriegsgericht für ein so kleines Land über ziemlich viele und vor allem viel zu berüchtigte Gefängnisse.

Ob die Gräfin Cosel auf Burg Stolpen, August Bebel auf Schloss Osterstein oder Karl May im Zuchthaus Waldheim: Fragt sich, welcher Prominente nicht in einem Sachsen-Knast gesessen hätte. Und die wenigen, die es nicht taten, scheinen wie Gottfried Semper oder Richard Wagner nach dem Dresdner Mai-Aufstand von 1849 nur gerade so entronnen. Ganz zu schweigen von der Zeit des Nationalsozialismus, vom „Gelben Elend“ in Bautzen, von der Mordfabrik in Pirna auf dem Sonnenstein oder den vielen Außenlagern des Konzentrationslagers Flossenbürg, die sich überall in Sachsen befanden, später von sowjetischen Speziallagern und Bautzen II, dem Stasi-Gefängnis.

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Noch e Grönsche könndste griechn

Die Hellenen sind den Sachsen näher, als mancher glaubt.

Ob Steuerhinterziehung, gefälschte Wirtschaftsdaten oder die immer neuen Milliarden für immer neue Rettungsschirme: Wann immer Griechenland derzeit zum Thema wird, ist der Ärger auch in Sachsen groß. Dabei sind die Hellenen dem Freistaat näher, als mancher glaubt. Und das nicht nur, weil es die Sachsen waren, die im Jahr 2007 noch vor Beginn der großen Krisen eine formidable Fast-Pleite hinlegten. Bekanntlich mussten damals die Baden-Württemberger die Sachsen LB retten – so wie heute EU, EZB und IWF die Griechen.

Nein, gemeint ist ein weiterer, fast vergessener Berührungspunkt in der Geschichte beider Länder, an den man sich heute allenfalls noch auf Schloss Weesenstein erinnert. Die Anlage im malerischen Müglitztal bei Pirna verfügt nicht nur über Kuriosa wie Pferdeställe im fünften Stockwerk und mit ihrem Stilmix vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert über zahlreiche Zeugnisse der Regionalgeschichte. Als Lieblingsschloss Johanns von Sachsen (dessen Reiterstandbild heute vor der Dresdner Semperoper steht) weist es auch zahlreiche europäische Bezüge auf. Der Wettiner-Prinz fertigte hier große Teile seiner bis heute gültigen Übersetzung von Dantes „Göttlicher Komödie“ an. Und im Wohntrakt hat sich zum Beispiel eine Panoramatapete mit dem Titel „Die Kämpfe der Griechen“, Zeugnis des im 19. Jahrhundert weit verbreiteten Philhellenismus, erhalten.

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Von der Varusschlacht bis Günter Grass

Zwei Sprachen, fünf Bände, 130 Autoren: Die „Deutsch-Polnischen Erinnerungsorte“ sind ein Mammutprojekt. Sie nehmen Geschichte aus einer doppelten Perspektive in den Blick.

Was man von der Geschichte zu halten hatte, war in Europa lange Zeit vor allem eine Frage der Perspektive. Bot die Trafalgar-Schlacht in England Anlass zu Jubiläumsfeiern und Flottenparaden, bedeutete sie für Frankreich und Spanien eine Niederlage. „Rom“ löste im protestantischen Norden andere Assoziationen als im katholischen Süden aus. Und selbst wenn man sich über die Bewertung von Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg mittlerweile ziemlich einig ist, erzeugt der Name „Stalingrad“ in Deutschland noch immer einen Schrecken, während sich aus russischer Sicht der Sieg mit der Kriegswende verbindet. Das Leid russischer Soldaten und vor allem der Zivilbevölkerung rückte freilich in beiden Lesarten in den Hintergrund.

Umso wichtiger scheinen Forschungs- und Veröffentlichungsprojekte wie die von den Historikern Hans Henning Hahn und Robert Traba herausgegebenen „Deutsch-Polnischen Erinnerungsorte“. 130 Autoren aus beiden Ländern und verschiedenen Fachrichtungen versuchen in den insgesamt fünf geplanten Bänden, die zum Teil zeitgleich auf Polnisch und Deutsch erscheinen, eindimensionale Sichtweisen – hier in Bezug auf Polen und Deutschland – aufzubrechen und verschiedene Perspektiven zusammenzuführen. Dabei geht es nicht um eine Ereignisgeschichte. Im Vordergrund stehen vielmehr Geschichtssymbole und ihre sich verändernden Bedeutungen, die im sogenannten kollektiven Gedächtnis beider Länder eine wichtige, oft auch entgegengesetzte Rolle spielen und zum Teil verheerend auf die Realgeschichte zurückgewirkt haben.

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Unerwünschte Rekordjäger

Sie vollbrachten Höchstleistungen und straften die NS-Propaganda von einer angeblichen Überlegenheit der „arischen Rasse“ Lügen: Die Ausstellung „Vergessene Rekorde“ erinnert in Dresden an das Schicksal jüdischer Sportlerinnen und Sportler vor und nach 1933. 

Gretel Bergmann

Wie sehr auch der Sport im Deutschland der 30er-Jahre von der nationalsozialistischen Rassenideologie durchdrungen war, führte vor wenigen Jahren der Spielfilm „Berlin ’36“ vor Augen. Erzählt wird die Geschichte der jungen jüdischstämmigen Hochspringerin Gretel Bergmann, gespielt von Karoline Herfurth, die sich längst im englischen Exil befindet, von den Nazis aber vor den Olympischen Spielen 1936 zur Rückkehr nach Deutschland gezwungen wird.

Nach außen, so das Kalkül der Nazis, sollen auf diese Weise faire Chancen für jüdische Athleten vorgespiegelt und Boykottdrohungen abgewendet werden. In Wirklichkeit aber ist die Sportlerin nur neuen Schikanen und Drohungen ausgesetzt. Vierzehn Tage vor Beginn der Spiele wird der Favoritin schließlich die Teilnahme verweigert. Ihr Sieg, das weiß sie genauso wie die NS-Funktionäre, würde die behauptete Überlegenheit der angeblichen „arischen Rasse“ konterkarieren.

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„Legenden von der unschuldigen Stadt“

Der Historiker Roman Töppel über den 13. Februar 1945, rechte Aufmärsche und das schwierige Gedenken an die Zerstörung Dresdens

Jahrestage von Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg sind in vielen Städten ein Datum des Erinnerns, aber ebenso ein Aufmarschtermin der Rechten. Vor allem am 13. Februar in Dresden entzünden sich regelmäßig heftige Debatten. Der Münchner Historiker Roman Töppel hat an der TU Dresden promoviert und ist Verfasser des Dresden-Beitrags in dem Band „Sächsische Mythen“ (Edition Leipzig 2011).

In den vergangenen Jahren hat es immer wieder rechte Aufmärsche im Umfeld des 13. Februar gegeben. Was macht solche Gedenktage, was macht Dresden für Neonazis so attraktiv?

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Wenn Politik die Medien lenkt

Die Münchner Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen und Anke Fiedler versammeln in ihrer Studie „Die Grenze im Kopf“ Interviews mit DDR-Journalisten und zeichnen ein vielstimmiges, differenziertes Bild der damaligen Medien. Zur Gegenwart der Vergangenheit aber fragen sie nicht.

Lesen Sie hier meine Rezension für die Freie Presse Chemnitz.