Ab in die Tonne

Mein Beitrag zu einer Liste von Vorschlägen für das „Unwort des Jahres“ 2014

Asylkritisch. – Ob „asylkritisch“, „euroskeptisch“, „demokratieverdrossen“ oder „Ukraine-Krise“: Im Zusammenhang mit den neu-alten rechten Bürgerbewegungen von Pegida über AfD bis hin zu den Putinfreunden hat die Nachrichtensprache in den vergangenen Monaten eine Reihe von Beschönigungen erfunden, die mit Fremdenfeindlichkeit, Hass auf die Institutionen, Eurogegnerschaft und Krieg Russlands gegen sein Nachbarland viel richtiger zu übersetzen wären. In dem falschen Bestreben, niemandem wehzutun, sprechen Teile von Politik und Medien so über jene, von denen sie selbst mittlerweile jeden Montag als – zwei weitere Unwörter, wenn auch ganz anderen Kalibers – „Volksverräter“ und „Lügenpresse“ verunglimpft werden. Man zeigt Verständnis für – noch so eine Redewendung – „Sorgen und Nöte“ derer, die in Wahrheit selber Angst, nämlich unter Flüchtlingen und Einwanderern in diesem Land verbreiten.

Gedruckt erschienen in der Freien Presse Chemnitz am 31. Dezember 2014. Die Beiträge der Kolleginnen und Kollegen finden Sie hier.

Eine Affäre mit Mutti

Mein Beitrag zu einer Liste von Vorschlägen für das „Unwort des Jahres“ 2013

Mutti

„Mutti“. – Was hat sich Angela Merkel in diesem Wahljahr nicht alles anhören müssen? Mal ist sie die männermordende Machtpolitikerin, die über Leichen (Stoiber, Öttinger, Guttenberg, Koch, Wulff, Röttgen) geht, mal wird sie als fürsorgliche Glucke apostrophiert. Mal soll sie eine prinzipienlose „Patin“ sein, mal (aus Sicht halb Südeuropas) eine preußische Prinzipienreiterin. Und vielleicht ist das alles auch gar kein Widerspruch. In Wahrheit aber tut Merkel mit ihrer pragmatischen, am Konsens orientierten Politik nur das, was Gerhard Schröder zuvor schon für die SPD geleistet hatte: ihre Partei und mit ihr das Land entideologisieren. Wer hätte vor Merkel von einer CDU-geführten Bundesregierung den Atomausstieg, eine (geplante) Finanztransaktionssteuer und – ein Beispiel aus dem aktuellen Koalitionsvertrag – Verbesserungen für Asylbewerber erwartet?

Erschienen in der Freien Presse Chemnitz am 30. Dezember 2013. Die Beiträge der Kolleginnen und Kollegen finden Sie hier.

Beredtes Schweigen

Warum die Gedenkminute für die Opfer des Neonaziterrors ein starkes Zeichen sein kann

Als der Journalist und Weltkriegsveteran Edward George Honey im Mai 1919 in einem Brief an die Londoner Zeitung „Evening News“ verlangte, man solle am Jahrestag des Waffenstillstands am 11. November innehalten und mit fünf Minuten Stille der Toten des Weltkriegs gedenken, gab es Rituale des stillen Trauerns bereits. Schon die antiken Römer sollen zum Totengedenken beispielsweise Opferhandlungen für die stumme Göttin Tacita verrichtet haben, um feindliche Zungen und Münder zu bannen. Und das Christentum hatte über die Jahrhunderte neben Gebet und Gesang Praktiken demutsvollen Schweigens entwickelt. Insbesondere die Quäker kannten Rituale der stillen Einkehr.

Was Honey jedoch in die Debatte brachte und kurz darauf unter George V. mit der Einführung des Remembrance Day (Erinnerungstag) Bestandteil eines offiziellen Gedenktags für die Toten des Ersten Weltkriegs wurde, war die moderne Schweigeminute. Beredtes Schweigen weiterlesen

Das waren die Nullerjahre

In einer Serie geht die Freie Presse Chemnitz derzeit Phänomenen der Nullerjahre nach. Und vielleicht kann man die Dekade ja als eine der Überwindung alter Gräben ansehen. Denn ob das Jahrhunderthochwasser 2002, die Papstwahl oder auch die Fußball-WM: Mit Vorliebe bei medial begleiteten Großveranstaltungen wurde sich in diesem Jahrzehnt gern über Ost-West-, Konfessions- und sonstige Lagergrenzen hinweg umarmt. Ein Versuch über das neue Wir-Gefühl damals.

Und hier ein anderer Rückblick auf meine Nullerjahre, erschienen in der taz.

„Bilder beeinflussen unsere Demokratie“

In Chemnitz findet gegenwärtig eine Fachtagung der Gesellschaft für interdisziplinäre Bildwissenschaft statt. Der Chemnitzer Philosophieprofessor Klaus Sachs-Hombach spricht im Interview (für die Freie Presse Chemnitz) über die Macht der Bilder, symbolische Politik und das Verhältnis von Emotion und Argument.

„Unser Nachkriegsmodell der Demokratie ist von Jürgen Habermas geprägt. Es sieht vor, dass es einen rationalen Diskurs gibt und eine Öffentlichkeit, in der Entscheidungen nach Abwägung von Interessen getroffen werden. Heute scheint es aber vielmehr so zu sein, dass – was Niklas Luhmann beschreibt – sehr viel stärker Bilder in das öffentliche Bewusstsein treten und diesen rationalen Diskurs ablösen.“

„Was sollen sie denn anderes tun?“

Die Leipziger Japanologin Steffi Richter spricht im Interview (für die Freie Presse Chemnitz) über die japanische Katastrophe, westliche Vorurteile und die Notwendigkeit zu helfen.

„Wenn eine hoch entwickelte westliche Gesellschaft von solchen Katastrophen betroffen ist, ist man geneigt zu glauben, es brauche solche Hilfe nicht. Aber das stimmt nicht. Die Solidarität ist dringend nötig.“

Eine Möglichkeit zu spenden gibt es zum Beispiel hier und hier.